Kirchen - Spätestens seit der vergangenen Sitzung des Kirchener VG-Rates ist klar: Aus dem Rathausstreit von Kirchen ist längst ein Krieg geworden – das Wort machte im Rat ganz offen die Runde. Entsprechend harsch hatte FDP-Fraktionssprecher Dr. Axel Bittersohl alle Vorschläge von Grünen und SPD abgelehnt, zuerst juristische Details prüfen zu lassen, bevor man VG-Chef Jens Stötzel im Streit um das von ihm gegen den Ersten Beigeordneten Rainer Kipping eingeleitete Disziplinarverfahren zu Schadenersatz verdonnert, weil der VG-Chef eine externe Kanzlei mit den Ermittlungen betraut hatte – Kosten: mindestens 23 000 Euro.
Mit den Worten „Ich lehne jede weitere Diskussion ab“ forderte Bittersohl das Ende der Debatte und Abstimmung. Die endete damit, dass FDP und CDU in Abwesenheit der SPD und gegen die Stimmen der Grünen die Verwaltung beauftragten, Schadenersatzforderungen gegen Stötzel in die Wege zu leiten (die RZ berichtete). Die SPD hatte den Saal verlassen, nachdem Union und Liberale es mit ihrer Mehrheit abgelehnt hatten, den Punkt zu verschieben.
Karl-Heinz Haepp machte für die Sozialdemokraten deutlich, dass sie im Gegensatz zu CDU und FDP nicht der Auffassung sind, dass Stötzel seine Dienstpflicht vorsätzlich oder gar grob vernachlässigt hat, als er im Dezember 2011 das Disziplinarverfahren gegen Kipping einleitete. Haepp zitierte den Widerspruchsentscheid der Kommunalaufsicht bei der Kreisverwaltung Altenkirchen, mit der das Disziplinarverfahren gestoppt worden war. Sogar darin werde eine Lehrmeinung angeführt, die die Bestellung eines Rechtsanwaltes für zulässig erachtet. Der Anwalt sei als Ermittlungsführer „nur der verlängerte Arm“ des Bürgermeisters.
Haepp: „Wir halten die Beauftragung für zulässig. Wen hätte der Bürgermeister denn sonst als Ermittlungsführer beauftragen können? Sich selbst? Nein, diese Aufgabe kann man nicht nebenbei machen. Einen Mitarbeiter aus der Verwaltung? Wer hätte die Befähigung dazu?“ Stötzel habe auch die Kreisverwaltung um Unterstützung gebeten, die Haepp unausgesprochen einmal mehr in den Ruch brachte, als CDU-dominierte Behörde ein Gefälligkeitsgutachten für die Union in Kirchen erstellt zu haben: „Ergebnis: Ablehnung, obwohl sie im Wege der Amtshilfe verpflichtet ist. Die Begründung der möglichen Interessenkollision überzeugt nicht, ist eher fadenscheinig. Da stellt sich die Frage nach dem wirklichen Warum.“
Laut Haepp sei Jens Stötzel nach dem „Geheimtreffen“ am Siegerlandflughafen im Herbst 2011 – zu dem nach damaligen Informationen der Erste Beigeordnete eingeladen haben soll – rechtlich verpflichtet gewesen, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, da der Verdacht eines Dienstvergehens bestand. „Damit ist auch die Ermächtigung verbunden, die damit zusammenhängenden Ausgaben zu leisten. Wenn der Rat dem vorher zustimmen müsste, würde er indirekt auch über das Disziplinarverfahren entscheiden.“ Den Vorwurf der FDP, Stötzel habe mit dem Verfahren überreagiert, wies Haepp zurück: Einige Vorwürfe Stötzels an Kipping seien womöglich von geringer Bedeutung gewesen, doch „in der Summe zeigen sie das Bild eines Beigeordneten, der eine gute Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister nicht als seine vornehmste Dienstpflicht ansieht.“ Und wieder an Altenkirchen: „Wo die Aufsichtsbehörde noch fehlende Sachaufklärung festgestellt hat, hätte sie diese ja veranlassen könne. Das hat sie nicht getan.“ Bis heute sei nicht die Rolle Kippings beim „Geheimtreffen“ geklärt. Der Widerspruchsbescheid der Kommunalaufsicht sei „allenfalls ein Freispruch zweiter oder dritter Klasse“ für den Beigeordneten gewesen.
CDU-Fraktionssprecher Georg Becker ging auf Haepps Ausführungen nicht ein. Die SPD-Fraktion gebe „ein trauriges Bild“ ab, sagte er, sie fordere Transparenz in dem Fall ein, habe aber nicht eingewilligt, den Widerspruchsbescheid der Kommunalaufsicht öffentlich zu machen. Dass sie sich hinter Stötzel stelle, sei eine „Trotzreaktion“, weil sie vor Jahren nicht habe verhindern können, dass in Kirchen mit CDU/FDP-Mehrheit ein hauptamtlicher Erster Beigeordneter Rainer Kipping durchgesetzt worden sei: „Dies sollte mit dem Disziplinarverfahren nachgeholt werden.“ Peter Seel