Flammersfeld - Jürgen und Ingeborg Heermann haben jahrelang nach ihrem Traumhaus gesucht. Hell sollte es sein, viel Natur, am liebsten ein großer Wintergarten, alles sollte sich auf einer Ebene befinden. So ein Traumhaus fand sich aber für das damals in Dortmund lebende Paar nicht an der nächsten Ecke.
Sie liebäugelten daher sogar mit dem Ausland: Griechenland oder Italien vielleicht. Doch dann wurde daraus der Westerwald. „Wir haben einen Tag vor Heiligabend 2007 das Angebot im Internet entdeckt", erinnert sich Jürgen Heermann. Der 69-Jährige Flugingenieur hat zwar keine Ahnung, wo er Flammersfeld auf einer Landkarte suchen müsste, aber er ist flexibel. Seit er nicht mehr in der Luft mit seinem Fachwissen unterwegs ist, sondern am Boden als externer Berater, freier Autor, Lehrer und Redner, ist er an keinen Ort mehr gebunden, ebenso wie seine Frau. Die beiden machten sich am zweiten Weihnachtstag auf den Weg. „124 Kilometer eine Strecke", merkt Jürgen an und seine Frau gibt noch zu: „Er muss immer alles berechnen, da kommt er aus seiner Haut nicht raus." Die beiden verfransen sich mehrmals, stehen irgendwann am anderen Ende von Flammersfeld, entdecken aber schon von Weitem die im Ort wohl bekannten Glashäuser. „Keiner von uns hat ein Wort gesagt, wir wusste in dem Moment, es wird wahr", erinnert sich Ingeborg Heermann. Überwältigt von der Tatsache, dass sie ihrem Traum zum Greifen nah sind, sagen die beiden den Besichtigungstermin erst einmal ab. Eine Entscheidung, die mancher merkwürdig finden mag, für die beiden war aber klar, es geht hier gar nicht mehr um die exakten Innenmaße oder die Ausstattung. Es geht um das Gesamtpaket, um das außergewöhnliche Haus im Glashaus und das Bauchgefühl, das sagt: Hier sind wir angekommen. Nach einer schlaflosen Nacht sagen die beiden dem verdutzen Makler zu, ohne noch einmal im Haus gewesen zu sein. Bereut haben sie es bis heute nicht. Das merkt man gleich, wenn man reinkommt.Allerdings ist das Reinkommen für Fremde schon schwierig. Als erstes fällt auf, das an der Tür die Klinke fehlt. „Das mussten wir machen. Ortsfremde kamen öfter mal hier reinspaziert, weil sie dachten, wir wären eine Gärtnerei", erzählt Jürgen Heermann. Das Glashaus, das ihr Wohnhaus komplett umschließt, ist eines ähnlich derer, die Gartenbaumärkte beherbergen. Massiv, ausgerichtet für menschliche Bewohner – angefangen von der Schneelast fürs Dach bis hin zur Belüftung. Rund 300 Quadratmeter hat die Außenhülle, die eigentliche Wohnfläche beträgt 145 Quadratmeter. Der Erbauer und ursprüngliche Bewohner hatte – welche Überraschung – ein Gartenbauunternehmen und fand die Inspiration für das Haus quasi bei der Arbeit.Im Glashaus selbst ist es kuschelig warm, obwohl an diesem kalten Maitag die Sonne kaum scheint, vielmehr nach einigen Minuten sogar der Regen anfängt, auf die vielen Scheiben zu prasseln. „Und trotzdem sitzt man mitten in der Natur", schwärmt Ingeborg Heermann, während sie Kaffee auf den großen Tisch stellt. Hinter ihr wachsen ein Feigen- und ein Olivenbäumchen in die Höhe, in den Beeten wuchern diverse Blüh- und Grünpflanzen. „Wir haben schon in unserem alten Haus einen kleinen Wintergarten gehabt, aber das ist natürlich nichts gegen das hier", sagt Jürgen Heermann nicht ohne Stolz. Wird es zu warm, lässt er automatisch reflektierende Aluminiumtücher aufziehen, die Schatten spenden. Wollen die Heermanns frische Luft, werden einzelne Scheiben oder auch schon mal das ganze Dach geöffnet. „Wir werden grundsätzlich drei Dinge gefragt: Wer putzt die Fenster? Wird es im Sommer nicht zu warm, und wie viele Vögel verenden an den scheiben?", fasst Heermann das Interesse der Leute zusammen. Nun, zum Thema Fensterputzen: Nachdem die Heermanns eine Zeit lang eine Fachfirma beschäftigten, sehen sie es jetzt ganz sportlich und machen es selbst. „Andere gehen halt in die Muckibude", lacht er. Er fügt aber auch zu: „Wer meint, es müsse jeden Freitag die Fenster putzen, der sollte lieber die Finger davonlassen."Zur Wärme kann der Ingenieur auch genaue Angaben machen – natürlich. „Mein Mann hat hier überall Messgeräte für Feuchtigkeit und Temperatur. Daher wissen wir, dass im Sommer meist nur ein minimaler Unterschied von drei Grad im Glashaus herrscht", sagt Ingeborg Heermann. Dafür ist aber das eigentliche Haus, das Herzstück im Inneren des Glashauses, optimal temperiert. Die Heermanns lassen einfach die ganze Nacht die Türen des Innenhauses auf, so ist morgens alles gut ausgekühlt. Im Winter wärmt es sich dafür schön auf. Heizkosten? Minimal. Der Innenbau ist rein aus ökologischen Materialien, kein Bauschaum, keine Dachfolien, dafür roter Lehmputz innen wie außen, dazu sieben Türen und viele Fenster, die wiederum das Licht vom Glashaus aufnehmen. Über den Heermanns: nur der Himmel. Und beim Thema Vögel, da ist Jürgen Heermann selbst etwas erstaunt. „Es passiert wirklich äußerst selten, dass mal ein Vogel gegen das Glashaus fliegt, weniger, als im alten Haus an die normalen Scheiben. Vielleicht liegt das an der ungewöhnlichen Bauart", mutmaßt er. Diese ungewöhnliche Bauart spiegelt sich bis ins Kernstück, das eigentliche Wohnhaus wider, denn es ist rund. weil rund. Die Heermanns mussten sich viele Möbel und Schränke anfertigen lassen. Beide sind heute noch von den heimischen Handwerkern begeistert, die Küche und Aufbewahrungswände zimmerten.Und auch die Familie der Heermanns hat Gefallen am neuen Domizil der beiden und damit auch am Westerwald gefunden. Ihr Bruder mit Frau sucht nun auch nach einem Traumhaus. Leider ist das zweite Haus im Glashaus gleich nebenan schon vergeben. Sonja Roos