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Für Wirbelwind Lisa ist Größe nicht das Maß

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Horhausen - Lisa ist ein aufgewecktes Mädchen. Mit leuchtenden Kulleraugen erzählt sie von ihren Wünschen ans Christkind und dem tollen Urlaub am Strand, bei dem sie auf einem Pferd geritten ist.

Sitzt sie in so einem Augenblick mit ihren beiden Schwestern Hanna und Fenja auf dem Teppich, scheint sie eine normale Vierjährige zu sein. Erst wenn Lisa aufsteht und auf kurzen Beinchen zum Tisch kommt, über den sie kaum blicken kann, erkennt man, dass Lisa ein besonderes Kind ist: Sie leidet an einer sehr seltenen Form von Kleinwuchs. Achondroplasie ist der Fachbegriff. Ohne fremde Hilfe wird sie auch später ihren Alltag nicht meistern können. Nur etwa eins von 25 000 Kindern ist betroffen, Lisas Schwestern sind ganz gesund. „Schon in der Schwangerschaft hat unser Frauenarzt bemerkt, dass die Proportionen all ihrer Röhrenknochen nicht stimmen", erzählt Mama Chutima.

Bei einer großen Ultraschalluntersuchung erfahren die Eltern dann die Diagnose. „Man hat uns gesagt, dass sie kleinwüchsig, ist und dann nur gemeint: ‚Wenn Sie mehr wissen wollen, schauen Sie doch im Internet nach'", erinnert sich Papa Thorsten. Die Eltern fühlen sich ziemlich allein gelassen und hilflos. Das Internet erweist sich trotzdem als Hilfe, dort finden sie einen Link zum Bundesverband für Kleinwuchs, in dem sie mittlerweile organisiert sind. Von dort bekommen die beiden viele hilfreiche Tipps und Adressen, sodass die jungen Eltern sich halbwegs vorbereitet fühlen, als Lisa nach einem Blasensprung mehr als vier Wochen zu früh das Licht der Welt erblickt. Mit 2600 Gramm und 47 Zentimetern ist sie bei der Geburt sogar im Normbereich. „Man hat allerdings gleich die Zackenfinger (vergrößerter Abstand zwischen dem 3. und 4. Finger) gesehen, die bei Kleinwüchsigen typisch sind, und den dominanten Kopf", sagt die Mutter.

Sehr früh fangen die Eltern mit Krankengymnastik an, damit Lisas Muskeln sich aufbauen – Muskelschwäche ist nur eines der Probleme Kleinwüchsiger. Dazu kommen verengte Nervenkanäle, sodass Lisa zum Beispiel keinen Purzelbaum machen darf. „Das könnte zu Einblutungen führen, das mussten wir auch im Kindergarten sagen", so Vater Thorsten. Lisa lernt durch die Physiotherapie schnell, zu sitzen und zu laufen. Sie ist ein aufgewecktes, lebenslustiges Kind, das sich ihrer Behinderung zum Glück noch nicht bewusst ist. Obwohl, so sagt Mama Chutima, merke sie so langsam, dass sie anders ist. Lisa wundert sich zum Beispiel, warum ihre zweijährige Schwester Fenja jetzt schon ein Stückchen größer ist als sie selbst. Und sie kommt manchmal traurig aus dem Kindergarten, wenn eins der Kinder ihr gesagt hat: „Du bist klein, und du bleibst es auch." Dann trösten ihre Eltern sie. „Natürlich wächst du, aber langsamer als die anderen." „Im Kindergarten geht das alles ja noch, da helfen die Erzieherinnen noch beim Anziehen oder beim Toi-lettengang. In der Schule wird das anders werden", macht sich Papa Thorsten Sorgen. Lisa wird nicht an einem normalen Schulpult sitzen können, sie wird nicht allein auf den Stuhl kommen, die Ranzen sind zu groß und die Garderobenhaken zu weit oben. Viele Hindernisse, die es zu überwinden gilt.

Trotzdem soll Lisa auf eine normale Schule gehen, sie wird aber Hilfe brauchen. Und auch zu Hause muss noch einiges geändert werden, damit Lisa lernt, selbstständig zu werden. „Wir müssen das Bad umbauen, damit sie allein ans Waschbecken kann oder auf die Toilette", so die Eltern. Und auch ein stabilerer Kinderwagen muss her. Lisa ist langsam zu groß für ihren alten, aber zu schwer, um dauernd getragen zu werden, doch lange Strecken ermüden ihre kurzen Beine. Mit ihrem Schicksal hadern wollen die Eltern trotzdem nicht. Sie lieben ihren 92 Zentimeter großen Wirbelwind so, wie er ist. „Manche entscheiden sich für eine Operation, aber das kommt für uns nicht in Frage. Unser Arzt hat gesagt, für die paar Zentimeter, die sie unter Schmerzen gewinnen können, setzen sie lieber die Lichtschalter die paar Zentimeter tiefer." Wünsche hat die Familie trotzdem. Etwa, dass seitens der Krankenkassen nicht immer mit der Salamitaktik hantiert wird. „Keiner sagt einem, das und das steht dir zu, man muss alles selbst in Erfahrung bringen." Und auch die Reaktionen mancher Mitmenschen machen das Leben mit einem besonderen Kind nicht einfacher. „Manche reagieren gar nicht und manche ganz plump." Dabei will die Familie nur eins: So normal wie möglich zu leben. Sonja Roos


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