Peterslahr/Siershahn - Zwei Herzen schlagen in seiner Brust, zwei Pässe stecken in seiner Tasche: Mahmoud Salehis Büro ist ein Spiegel dessen, wofür der erfolgreiche Geschäftsführer der Steuler KCH in Siershahn steht: das typisch Westliche, die klaren Formen, die Möbel funktional, die Einrichtung repräsentativ.Kombiniert wird das Ganze aber mit für den östlichen Raum typischen verspielten Elementen: Perserteppich, Wandschmuck und hübsches Beiwerk, satt und üppig, Gold und Ornamente. So wie er selbst, Salehi, der sagt, dass er die deutsche Lebensart sehr schätzt, das Mathematische, das Durchgeplante und Berechenbare. Für ihn, den studierten Physiker, waren das Attribute, die er leicht adaptieren konnte, als er damals – jung, fremd und einsam – in dieses Land kam, das er nun Heimat nennt. Diese Dinge sind quasi sein Kopf, sein Denken, die Bildung, die er an Deutschland über alles schätzt. Da ist aber noch seine Herkunft, sein Herz, das Warme und Offene.
Der Iran wird immer ein Teil von ihm sein, auch wenn er wahrscheinlich in diesem Leben dort nicht mehr sesshaft werden wird.Gerade mal 18 Jahre war Mahmoud Salehi alt, als seine Eltern ihn ins Flugzeug setzten. Er bezeichnet sich selbst, geboren 1962 – oder nach der Zeitrechnung im Iran 1341 – als Kind der Revolution. Aufgewachsen ist er in einem liberalen, westlich geprägten Haushalt. Der Einfluss des Schahs war überall spürbar, das Land prosperierte damals, erinnert sich Salehi. Aber viele sahen nicht, dass die Menschen gleichsam unter der Last der Diktatur ächzten, dass ein Umbruch nur eine Frage der Zeit war. „Das ist wie bei einem Erdbeben: Die Platten reiben sich so lange aneinander, bis es kracht", beschreibt es Salehi. Es krachte dann 1979, der Schah wurde gestürzt, der Revolutionsführer Khomeini neuer Herrscher im Land. Nur etwas mehr als ein Jahr später griff dann der Irak das Land an. „Meine Eltern wollten nicht, dass ich in diesen Krieg hineingezogen werde", sagt Salehi, dessen Welt sich innerhalb kürzester Zeit ebenso in Aufruhr befand wie sein Land. Das Verhältnis zur USA ist schwierig, eine Einreise für den jungen Iraner aufgrund der politischen Lage kaum möglich, obwohl dort Verwandte leben. Die Eltern hörten sich um, überlegten, wo der Sohn die bestmögliche Ausbildung erhalten könnte, denn Mahmoud ist schon im Iran ein Einserschüler, wissbegierig und lerneifrig. Wohl auch deshalb entschied sich die Familie dafür, den Sohn in Deutschland studieren zu lassen. „Ein Glück, der Krieg hat damals über eine Million Leben gefordert, viele meiner Schulfreunde sind umgekommen", sagt Salehi heute.Ihm ist mulmig, als er in den Flieger steigt, nicht wissend, ob er seine Familie oder sein Land jemals würde wiedersehen können. Durch Empfehlungen kommt Salehi an die Uni Siegen und findet bei den Eheleuten Zimmermann in Niederschelden eine zweite Familie, im Kreis Altenkirchen dadurch eine zweite Heimat. Erst einmal lernt er die Sprache, sowohl durch den guten Kontakt mit seinen Gasteltern, als auch in einem Sprachkurs an der Universität. Danach geht er nach Aachen, macht dort sein Abitur nach, weil ihm das iranische in Deutschland nicht anerkannt wurde, und beginnt mit dem Physikstudium. Nach dem Grundstudium kehrt er nach Siegen zurück, wo er auch seine heutige Frau kennenlernt, eine Tschechin. 1990 wird geheiratet, die beiden ziehen nach Peterslahr, wo sie bis heute leben. „Wir haben einen Flecken Erde gesucht, wo es sich mit Kindern leben lässt", sagt er und zeigt stolz ein Foto des herrlichen Gartens hinter seinem Haus – sein Bildschirmschoner. Daneben stehen Fotos der Familie, 14 und 10 Jahre alt sind seine Tochter und sein Sohn heute. Er trägt sie immer bei sich, versucht, so viel Zeit wie möglich mit ihnen zu verbringen. Gar nicht so einfach, wenn man Chef eines Weltmarktführers ist, viel reisen muss und die übrige Zeit noch mit ehrenamtlichen Aufgaben wie der Präsidentschaft im Rotary Club oder in zwei Fachverbänden aufteilen muss. „Es ist aber wichtig, ich will nicht, dass meine Kinder mich irgendwann einmal fragen, wo ich eigentlich all die Jahre gewesen bin." Salehi kann gut beurteilen, wie schwierig es ist, musste er sein ganzes frühes Erwachsenenleben ohne den Vater, ohne die Eltern auskommen. Es hat ihn stark gemacht, so ins kalte Wasser geworfen zu werden, das sagt er heute. Und es hat ihm geholfen, das Wesentliche nie aus den Augen zu verlieren. Wie die Familie und die Dankbarkeit. Auch für seine neue Heimat. Angefeindet wurde er selten, seine Herkunft habe nie ein Problem für ihn dargestellt. Auch wenn ausländische Freunde und internationale Geschäftspartner oft nachhaken, wie es sei, so als Ausländer in einem Land wie Deutschland zu leben. „Ich habe das im Land ganz anders erlebt, als sie es von außen etwa durch die Medien wahrnahmen", sagt er. Und: „Ich muss mich anpassen, wenn ich in ein anderes Land komme, nicht umgekehrt. Dafür muss ich die Sprache kennen, die Lebensweise anerkennen, dafür muss ich eine innere Bereitschaft haben, mit der Gesellschaft hier zusammenleben zu wollen." Im Herzen bewahrt hat er sich seine alte Heimat trotzdem, er reist heute beruflich manchmal noch in den Iran oder besucht die Familie, die Eltern reisen, sooft es geht, in den Westerwald. Diese Brücke zwischen alter und neuer Heimat ist es, die er für seinen Erfolg mitverantwortlich macht. „Es hilft ungemein, denn große Projekte entscheiden sich heute nicht mehr nur in einem Land." Während Salehi aus seinem Leben erzählt, führt er ganz selbstverständlich ein Telefonat auf Farsi und eines auf Englisch, über seinem Schreibtisch hängt eine Weltkarte, in rot sind die Niederlassungen seiner Firma verzeichnet. Es unterstreicht seine Aussage von der Brücke, die das Schicksalskind, der Weltbürger Salehi, zu den beiden Kulturen in seinem Inneren gebaut hat. Er legt den goldenen Kugelschreiber ordentlich auf seine Schreibtischplatte und schaut auf die reich verzierte Uhr an der Wand. Die Zeit tickt, er will noch viel erledigen, bevor er nach Hause fährt, um den Tag noch ein wenig zu genießen, mit der Familie und dem Hund. Sonja Roos
Zusatz: Mit der Keramchemie, heute Steuler KCH, verbindet Mahmoud Salehi eine lange Geschichte. Schon nach dem Uniabschluss hatte er seine erste Stelle 1990 dort als Projektleiter angetreten. Nach der Übernahme der Firma wechselte Salehi zur Steuler Gruppe nach Höhr-Grenzhausen, hatte aber schon da gemeinsam mit Michael Steuler den Plan, seine einstige Firma zu übernehmen und zum Weltmarktführer im Bereich industrieller Korrosionsschutz auszubauen. Dies gelang ihm 2009 mit der Übernahme, Salehi wurde CEO (Geschäftsführer) . Heute arbeiten allein 1500 Menschen nur in diesem Segment. sr