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Syrische Flüchtlinge: Die Angst wird sie immer begleiten

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Zurückgelassen haben sie alles, was ihnen lieb war, doch bleiben, das wäre zu gefährlich gewesen. „Wir haben alles verloren dort", sagt Ali. Er hatte einst ein gut gehendes Bekleidungsgeschäft, doch es lag im falschen Viertel. „Dort waren viele Assad-Gegner", sagt er. Erst wurde sein Geschäft geplündert, dann im Hagel der Granaten zerstört. Viel besser erging es auch ihrer Wohnung nicht. „Zuerst kamen sie und haben unsere Sachen genommen und dann alles kaputt gemacht. Sie haben gesagt ,Hau ab nach Palästina'", erinnert sich Fatma. Sie ist zwar Palästinenserin, wurde aber in Syrien geboren. Obdachlos, mit nur wenig Hab und Gut, kampierten sie zwei Monate in einer alten Schule, dann entschlossen sie sich, Syrien zu verlassen. Mitte Juli sind die beiden nach einer fast Tod bringenden Flucht in den Westerwald gekommen, doch im Kopf und im Herzen, da lässt das Schicksal ihrer Heimat die beiden nicht los. „Die Angst sitzt hier", sagt Fatma und fasst sich an die Stirn. Eigentlich heißen die beiden anders, doch sie fürchten, dass der lange Arm der Machthaber selbst im fernen Deutschland nach ihnen greift. Und dann ist da ja noch die Familie, die sie zurücklassen mussten. Alis Eltern etwa, beide an die 80, zu alt für die beschwerliche Reise, die Ali und Fatma hinter sich haben. Und ihr ältester Sohn, der die Repressalien und die Gewalt in der Armee nicht mehr ertrug und desertierte. Ali zeigt ein Handybild von einem jungen Mann, der nachdenklich in die Ferne schaut. „Wir haben seit Monaten nichts von ihm gehört", sagt Fatma traurig. Traurig auch, weil es keine Zukunft zu geben scheint in dem Land, dass nun seit über drei Jahren systematisch durch den Krieg zerstört wird. Auch früher schon war es schwierig in Syrien, erzählen beide. Etwa, wenn man die falsche Religion oder das falsche Parteibuch hatte. Dann blieb man arm, fand keine Arbeit. Heute aber, da ist es egal, ob man für oder gegen Assad ist. „Ich glaube fast, dass die Gegner noch schlimmer sind", sagt Fatma. Die beiden erzählen von einer Regierung, die nicht davor zurückschreckt, Moscheen und Grundschulen zu bebomben, und von einer Opposition, die sich nimmt, was sie kriegt. Die brandschatzend, plündernd und vergewaltigend durchs Land zieht. Die ebenso rücksichtslos Nicht-Anhänger eliminiert wie das Regime. Fatma erinnert sich an das Schicksal einer Krankenschwester, die sie kennenlernte, als sie im Hospital aushalf. Regimegegner entführten die junge Frau, zwangen sie, deren Verwundete zu verarzten und erschossen sie danach auf offener Straße. „Die Toten, von denen abends in den Nachrichten geredet wird, das sind nicht alle, noch lange nicht", sagt Fatma mit Blick auf den kleinen Fernseher, der in ihrem neuen Domizil das Wohnzimmer beherrscht. „Jede Familie hat Angehörige verloren in Syrien. Tot, im Gefängnis oder verschwunden", sagt Ali. Was die Zukunft bringt, das wissen sie nicht. Einen Krieg, wie der amerikanische Präsident ihn fordert, finden sie falsch. „Das gibt einen Flächenbrand", befürchtet Ali. Weiter zusehen, wie die Menschen in Syrien hungern, leiden, fliehen oder sterben – auch keine Option. Ali zuckt mit den Schultern. So ratlos wie die große Politik, sind auch die kleinen Leute. Das Paar will mit den drei Kindern versuchen, in Deutschland eine neue Heimat zu finden. Fatma spricht schon sehr gut die Sprache, sie hoffen das sie irgendwann Arbeit finden, sich selbst ernähren können. „Wir wollen nicht hier sein, aber dort zu bleiben, das hätte den Tod bedeutet", sagt Fatma. Sonja Roos


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