Die Podiumsdiskussion bei der „Neuen Arbeit" am Mittwoch glich da schon eher einem Minenfeld, zumindest für einige der Politiker, saßen hier doch Menschen, die sich eher nicht auf der Sonnenseite des Lebens befinden, wie RZ-Redaktionsleiter Marcelo Peerenboom anmerkte, der die Moderation an diesem Tag übernommen hatte. Dem etwa 40-köpfigen Publikum, alles Maßnahmenteilnehmer oder Mitarbeiter der „Neuen Arbeit" saßen Jochen Bülow (Linke), Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), Erwin Rüddel (CDU), Sandra Weeser (FDP) und in Vertretung für Bundestagskandidatin Elisabeth Bröskamp die Landtagsabgeordnete Anna Neuhof gegenüber. Die Berufspolitiker trafen auf ein interessiertes, wenn auch kritisches Publikum. Zur Wahl gehen werden sie, das bekundeten zu Beginn fast alle in dem gut gefüllten Zelt auf dem Hof in der Siegener Straße. Nach gut zwei Stunden, in denen es um die Fragen von Mindestlohn, menschenwürdigem Umgang, sinnvollen Hilfen und allgemein der Frage nach Teilhabe ging, stand ziemlich fest, dass es die Regierungskoalition bei diesen Wählern schwer haben dürfte. Weder die Aussage von Sandra Weeser, dass man sich für 2500 Euro Monatsgehalt nicht auch noch um die private Altersvorsorge kümmern könne, noch die von Erwin Rüddel arg überstrapazierten Statistiken darüber, wie positiv sich das Leben aller in Deutschland doch in den vergangenen vier Jahren verändert habe, kamen bei diesem Publikum gut an. Den ersten Applaus des Tages erntete die um kein Amt bemühte Grüne Neuhof mit ihrer trockenen Feststellung: „Wenn jemand sagt, dass es doch allen besser geht, dann dürften Sie heute nicht hier sitzen." Heftige Diskussionen entfachte die Frage nach der Kürzung der Wiedereingliederungshilfen. Auch wenn Erwin Rüddel darauf beharrte, dass dank der guten Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik seiner Partei weniger Menschen arbeitslos seien und daher für die übrigen ja am Ende sogar mehr pro Kopf an Fördergeldern da sei, so widerlegten ihn sowohl Bätzing-Lichtenthäler mit Rechenbeispielen, als vor allem auch die Mitarbeiter der Neuen Arbeit, die die Kürzungen täglich am eigenen Leib zu spüren bekommen. Die „Glas halb voll"-Metaphorik Rüddels kam da bei allen Anwesenden nicht gut an. Überhaupt schafften es nur wenige Politiker, zielgenau auf Fragen der Anwesenden zu antworten und sich nicht in parteipolitischen Phrasendreschereien zu verlieren. Am Einfachsten hatte es bei der ganzen Diskussion um Hartz IV, Altersarmut und zu geringe Löhne der Kandidat der Linken, Jochen Bülow, der mit Fingerzeig auf seine Mitstreiter anmerkte, dass außer ihm alle Anwesenden Vertreter von Parteien seien, die in den vergangenen zehn Jahren in der Regierung gewesen seien – sprich, nun auch die Verantwortung für ihre Politik zu tragen hätten. Die noch vom ehemaligen, langjährigen Neue-Arbeit-Geschäftsführer Bernd Schuscheng angeregte Podiumsdiskussion brachte vielleicht auf Seiten der Zuhörer wenig Überraschungen, dafür mit Sicherheit auf Seiten der Politiker, die einem Plenum gegenübersaßen, das sich engagiert für die eigenen Belange einsetzte, sich nichts schönreden ließ und sogar vor gut gemeinten Ratschlägen an altgediente Politprofis nicht zurückschreckte: „Üben Sie Demut gegenüber anderen Menschen, nehmen Sie sich ein Beispiel an denen, die hier arbeiten, damit Sie wieder Politik für die Menschen und nicht für die Statistiken machen." Diese beherzten Abschlussworte eines jungen Mannes, der dank der Neuen Arbeit jetzt ein Biologiestudium begonnen hat, ernteten vermutlich den meisten Applaus an diesem Tag. Sonja Roos
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