Der zweite Vorsitzende des Landesapothekerverbands, Bernhard Pohlmann aus Hamm, bestätigt: „Der Pfeil zeigt eindeutig nach unten." Aktuell können sich Bürger im Kreisgebiet nur noch in 31 Apotheken mit Medikamenten versorgen.Wie Pohlmann, der in Hamm die Neue Apotheke an der Lindenallee betreibt, erläutert, hängt die Entwicklung mit dem Strukturwandel vor Ort zusammen. „Der Trend geht bei Firmen zu immer größeren Einheiten", hat der Pharmazeut beobachtet. Dadurch gingen Arbeitsplätze verloren, und die Menschen zögen weg. Das wirkt sich auch auf die medizinische Infrastruktur aus: Die Ärzte konzentrieren sich in den größeren Städten. Bernhard Pohlmann: „Der klassische Hausarzt verliert an Attraktivität."
Wo weniger Ärzte sind, müssen oftmals auch Apotheker aufgeben. Ein Blick in die Kreisstadt Altenkirchen bestätigt den Trend der Konzentration, den Bernhard Pohlmann beschreibt: Dort sind nahezu alle Facharztrichtungen – teilweise mehrfach – vertreten und das DRK-Krankenhaus angesiedelt. Folglich ist hier der Bedarf an Arzneimitteln entsprechend und die die Apothekendichte hoch: Allein sechs Pharmaziegeschäfte sind in Altenkirchen zu finden.
In Wissen beispielsweise konnten die Kunden erleben, wie im Lauf der Jahre aus den beiden Apotheken der Familie Mecklenburg schließlich nur noch eine wurde, nachdem sich der Apothekenleiter zur Ruhe gesetzt und seine Geschäfte an Frank Ueckerseifer übergeben hatte. Die Ahorn-Apotheke gibt es seitdem nicht mehr. Ähnliches haben die Flammersfelder erlebt: Dort hatte der eine Apotheker seinen Laden an den anderen Apotheker vor Ort verkauft, sodass am Ende nur eine übrig blieb.
Insgesamt hat der Kostendruck auf die Betreiber von Apotheken deutlich zugenommen, wie Bernhard Pohlmann berichtet. Bei den Sachkosten sei kaum noch zu sparen, und auf der anderen Seite stiegen die Lohn- und Gehaltskosten Jahr für Jahr, sodass die Ertragssituation immer enger werde. Insofern ist das Apothekensterben im ländlichen Bereich, der zudem unter einem Bevölkerungsrückgang zu leiden hat, kein Wunder.
Negative Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung hat die Entwicklung allerdings nicht, wie der 2. Vorsitzende des Apothekerverbandes unterstreicht. Jeder erhält nach wie vor seine Medizin – wenn es sein muss auch frei Haus. Annkathrin Fischer, die Sprecherin des Apothekerverbandes, beobachtet allerdings einen Zuwachs bei Internetanbietern. Sie berichtet von „Beratungsklau" und meint damit die Unsitte, sich in einer örtlichen Apotheke eingehend beraten zu lassen, um das Produkt dann später kostengünstiger im Internet zu bestellen.
Probleme durch die abnehmende Zahl an Apotheken ergeben sich nach Angaben Pohlmanns beim Notdienst. „Der ist zwar akut nicht gefährdet", betont er. Doch wenn man samstags und sonntags Notdienst habe, dann hänge man montags schon mal in den Seilen. Zurzeit sind die Apotheker im Kreis Altenkirchen alle 13 Tage mit Notdiensten an der Reihe. Wenn die Zahl der Kollegen weiter abnimmt, steigt auf der anderen Seite die Notdienstbelastung für jeden einzelnen.
Hinzukommt, dass es die Politiker den Apothekern auch nicht immer leicht machen. Bernhard Pohlmann macht etwa das Arzneimittelneuordnungsgesetz (Amnog) für ein bundesweites Apothekensterben verantwortlich. Im Rahmen des Amnog mussten n die Apotheker den Krankenkassen einen erhöhten Rabatt von 2,05 Euro gewähren. Diese gesetzlich festgeschriebene Anhebung war auf die Jahre 2011 und 2012 beschränkt. „Das waren anstrengende Jahre, um über die Runden zu kommen", resümiert Pohlmann.
Was die Zukunft im Kreis Altenkirchen betrifft, so muss man nach Auffassung des Hammer Pharmazeuten künftig verstärkt auf Studienabsolventen aus der Region setzen. Nur wer eine gewisse Verbundenheit mit dem Westerwald habe, sei auch bereit, hier im ländlichen Bereich eine Apotheke zu betreiben. Alle anderen ziehe es in die größeren Städte in den Metropolregionen. „Früher war das Land für Existenzgründer noch attraktiv", sagt Bernhard Pohlmann. Das sei vorbei. Und um ausreichend viele pharmazeutisch-technische Assistenten verfügbar zu haben, wünscht er sich mehr Berufskollegs wie das in Trier. (mp)