Herdorf - Der Herdorfer Kampf gegen die Eingliederung in die VG Daaden geht im Internet weiter: Gegner der Zwangsfusion haben eine Facebook-Seite ins Leben gerufen und eine digitale Unterschriftenaktion gestartet.
Es war am vergangenen Mittwoch im Herdorfer Hüttenhaus: Die Einwohnerversammlung zum Thema Gebietsreform war fast vorüber, da ließ sich Bürgermeister Uwe Erner, gerade richtig in Fahrt, zu einem Satz hinreißen, den er nach eigenem Bekunden eigentlich gar nicht sagen wollte: „Ich wäre mit Herdorf lieber ein Ortsteil in Neunkirchen als eine Ortsgemeinde in Daaden." Die Reaktion der Zuhörer: Bravo-Rufe und tosender Beifall im Saal.
Spätestens seit dieser Versammlung ist klar geworden: Bürgermeister, Verwaltung und Stadtrat können bei ihrem Kurs der „klaren Kante" gegen die drohende Eingliederung des Städtchens in die Verbandsgemeinde Daaden auf breite Zustimmung der Herdorfer Bürger zählen. Schon im Hüttenhaus erkundigten sich etliche Zuhörer bei Erner, wie sie ihren Protest gegen die Pläne der Landesregierung zum Ausdruck bringen könnten: Eine Sammelklage? Eine organisierte Demo in Mainz? Sogar ein möglicher Boykott der Wahl zum ersten gemeinsamen Rat der neuen VG Herdorf-Daaden 2014 kam als Idee zur Sprache.
Ein junger Mann aus Sassenroth hat derweil bereits gehandelt: Robin Muth (17) hat im Internet eine Art digitale Unterschriftenliste gestartet: Auf dem Portal www.openpetition.de können Gegner der Fusion für die fortbleibende Eigenständigkeit Herdorfs als verbandsfreie Stadt abstimmen. Adressat der Aktion unter dem Motto „Fusion mit Daaden – geht's noch?" ist die Landesregierung. Bis Weihnachten sollen so möglichst viele Unterstützer zusammenkommen – Stand Montagabend waren es 140.
Unterstützung sogar aus Schottland
Die Unterzeichner kommen freilich vor allem aus dem Städtchen selbst – unter Nummer 138 beteiligte sich am Montagnachmittag auch Bürgermeister Uwe Erner. Aber auch „Exil-Herdorfer" aus allen Teilen der Republik haben bereits ihre Verbundenheit zur Heimat geäußert. Sogar eine Unterzeichnerin aus dem fernen Glasgow in Schottland ist dabei. Und ja, auch ein paar Bewohner des Daadener Landes wünschen sich dort, dass zwischen den zur Zwangsheirat bestimmten Nachbarn doch alles so bleiben möge wie es ist.
„Ich hoffe sehr, dass wir ungebunden und eigenständig bleiben", sagt Initiator Robin Muth. Er ist in Herdorf aufgewachsen, fühlt sich, wie er sagt, mit seiner Stadt sehr verbunden. Und als Mitglied der Feuerwehr in Sassenroth und ihres Fördervereins bereiten ihm die Fusionspläne ganz konkrete Sorgen: „Es geht da ja auch um die Existenz unseres Löschzugs."
Robin Muth hat Erfahrung mit Online-Petitionen. Auch für den Tierschutz hat er sich schon auf diese Weise engagiert. Ob die Unterschriftenliste gegen die Zwangsfusion letztlich per Internetlink oder in ausgedruckter Form nach Mainz übermittelt wird – Muth weiß es noch nicht. „Jetzt geht's erst mal darum, dass sich möglichst viele beteiligen."
Ein kölscher Herdorfer schreitet voran
Hilfreich ist da eine Verlinkung auf der Facebook-Seite, die Jan Hillebrand ins Leben gerufen hat. Vor sieben Jahren ist der heute 37-Jährige von Köln nach Herdorf gezogen, hat seitdem, wie er sagt, eine „tolle Gemeinschaft und eine bemerkenswerte Nachbarschaftshilfe" kennengelernt. „Ich fühle mich in Herdorf wohl, bin hier angekommen." Umso mehr ärgert ihn, der selbst SPD-Mitglied ist, wie er betont, dass bei der Reform kaum Rücksicht auf die Bürger genommen werde: „Die Argumente dafür werden zu wenig deutlich."
Am Morgen nach der Einwohnerversammlung im Hüttenhaus hat er den Facebook-Auftritt mit der Überschrift „Städtchen Herdorf muss eigenständig bleiben" gestaltet, abends hatten schon 450 auf „Gefällt mir" geklickt, am Montagabend waren es bereits 682. „Die Resonanz hat mich schon etwas überrannt", gibt Hillebrand zu. Die Kommentare auf der Seite sind eindeutig: „Die zwei in einem Topf? Nä, dat geht net!", schreibt da eine Frau. Befürworter der Fusionspläne sucht man hier vergebens. Dass es auch in der Versammlung keine Gegenrede gab, hat Hillebrand ein Stück weit erstaunt. Er sieht es so: „Die Ablehnung der Fusion hat weniger mit Daaden zu tun. Als Herdorfer ist man eben von Herzen Herdorfer."
Harter "Dialog" mit dem Minister
Diskutiert wird auf Facebook vielmehr an anderer Stelle, nämlich auf der Seite des Innenministers. Dort wollte Tobias Dreier, Bruder der Herdorfer Leichtathletin Verena Dreier, wissen, warum Lewentz nicht in Herdorf zur Gebietsreform gesprochen hat: „Vor Ort informieren und mit den Betroffenen zu sprechen, wenn man rund 18 000 Menschen eine völlig sinnlose Reform aufoktroyieren will, stünde einem aufrechten Demokraten gut zu Gesicht", schreibt Dreier und fragt: „Warum wollen Sie eine wirtschaftlich, geschichtlich und strukturell in eine andere Region verflochtene Stadt mit einer Verbandsgemeinde zusammenlegen, die eine aus wirtschaftlicher, verkehrstechnischer und geschichtlicher Perspektive völlig andere Orientierung hat?"
Lewentz hat reagiert – wenn auch etwas verspätet. Er verweist auf seine beiden Besuche in Daaden und auf Presseberichte, in denen die Argumente des Ministeriums dargelegt wurden. Mit den Antworten, so ist jedenfalls in den weiteren Kommentaren zu lesen, hat er die Fusionsgegner aus Herdorf kaum zufriedengestellt. Daniel Weber