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Die historische Geburt einer Glocke vor Ort

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Horhausen - Als nach lang anhaltendem Glockengeläut Ruhe in die rund 300 Köpfe umfassende Schar an Zuschauern kehrt, kann beginnen, woraufhin mehrere Menschen den ganzen Tag gearbeitet hatten: In Horhausen wird das erste Mal „seit bestimmt 100 Jahren, wenn nicht sogar 500", wie Pastor Peter Strauch in seiner Ansprache anmerkt, eine Glocke vor Ort in heimischer Erde gegossen. Ein Schauspiel und vor allem ein rares.

Nur etwa drei bis vier Mal im Jahr kommt Bruder Michael, Benediktinermönch aus der Abtei Maria Laach, raus, um vor Ort dieses Schauspiel aufzuführen. Rund 100 Glocken gießt er mit seinen drei Mitarbeitern insgesamt übers Jahr gesehen in der Glockengießerei der Abtei. Dass er heute in Horhausen sei, läge auch an den netten Leuten, die so tatkräftig an die Vorbereitungen gegangen seien, so Bruder Michael, der übrigens weltweit der einzige Benediktinermönch ist, der dieses uralte Kunsthandwerk noch beherrscht und betreibt.Bereits morgens früh hatte die Firma Tiefbau Thomas Buhr aus Horhausen das Loch ausgehoben. Die zuvor in der Abtei gefertigte Glockenform wurde dann ausgeladen, gleich daneben der provisorische Ofen errichtet, in dem die Bronze auf weit über 1000 Grad erhitzt wird. Drei Stunden dauert es allein, bis das Metall sich verflüssigt hat. Dann endlich ist er gekommen, der Moment auf den die Zuschauer, die Akteure und diverse Medienvertreter so gespannt gewartet haben: Die glühend heiße Flüssigkeit wird mit Schöpfkellen in die tief im Loch eingegrabene Form, von der nur noch eine kleine Öffnung herausschaut, gegossen. Es funkt und zischt, als sich die Urgewalten von Feuer und Erde vereinigen.

In die Menge ist andächtiges Schweigen eingekehrt, kein Mucks ist zu hören. Das ist auch gut so, müssen sich die dick in Schutzanzüge vermummten Helfer doch trotz Helmen verständigen können. Dann ist es vollbracht. Bruder Michael kippt zum Abschluss noch Holzkohle auf das Loch und warnt eindringlich die Kinder, auch später nicht zu nah an die Stelle zu treten, aus der am Samstag gegen 15 Uhr die neue Glocke gehoben wird, der Fachmann spricht von Geburt und diese Metapher greift auch Pastor Peter Strauch gerne wieder auf. „Wir werden morgen hören, ob es auch einen kräftigen Schrei tut." Dieser Moment, in dem dann die Glocke ausgegraben und angeschlagen wird, entscheidet, ob die wochenlange Vorarbeit von Erfolg gekrönt ist. Allerdings, das verrät Bruder Michael, sei ihm Gott Lob vor Ort noch nie ein Guss daneben gegangen. Somit habe er „ein gutes Gefühl". Und auch das Wetter war schlussendlich auf Seiten der Horhausener. Hatte es gestern noch aus Kübeln gegossen, so dass der Mönch voller Sorge abends noch einmal auf Wetter.de nach dem Rechten sehen musste, waren die Temperaturen an diesem Freitag gerade für die Arbeit mit dem Feuer ideal. „Es ist alles wunderbar gelaufen", sagt nach getaner Arbeit ein sichtlich erleichterter Pastor Strauch, der zuvor von Kameras und Mikrofonen umzingelt worden war. Auch Bürgermeister Thomas Schmidt freut sich, so einem historischen Moment beiwohnen zu können. Samstag wird er, wie die meisten Horhausener, natürlich auch vor Ort sein, wenn die Wehen einsetzen und die historische Geburt einer Glocke vor Ort eingeläutet wird. Am 7. Juli wird dann Glockenweihe im „Dom" zu Horhausen gefeiert, anwesend wird auch Domprobst Werner Rössel sein. Zum Einsatz wird das neue Quintett im Glockenstuhl von Sankt Maria Magdalena dann am Wochenende 20./21. Juli, dem Kirmeswochenende kommen. Mit welcher Melodie die Gläubigen dann zur Messe gerufen werden, dass wird vorher vom Plenum und der Glockensachverständigen noch festgelegt, in jedem Fall muss es bei der Vorgeschichte etwas besonderes sein. Sonja Roos

 

Die Technik: Die traditionellen Zutaten für eine Glockenform sind seit Jahrhunderten dieselben: Lehm, Stroh und Pferdemist. Mittels einer Holzschablone, dem sogenannten Rippenbrett, wird dieser Formlehm millimetergenau auf einen aus Ziegeln gemauerten Kern aufgetragen. Die Rippe ist der geometrische Aufriss des Glockenprofils. Dieses Profil entscheidet über die Tonhöhe und die Klangfarbe der darin gegossenen Glocke. Zum Guss der Glocke wird die Bronze, eine Legierung aus 78 Teilen Kupfer und 22 Teilen Zinn, auf 1080 Grad Celsius erhitzt. Diese flüssige Schmelze wird in die Glockenform eingegossen. Damit die Form dem Druck des Metalls standhält, wird sie mit Erde in einer Grube eingestampft. In den Minuten des Gusses entscheidet sich die Qualität einer mehrere Wochen dauernden Vorbereitungszeit. Nach dem Guss benötigt die neue Glocke je nach Größe einige Tage bis mehrere Wochen Abkühlzeit, bevor die Form ausgegraben werden kann. Für den Glockengießer ist das Ausgraben der Glockenform, die sogenannte Geburt der Glocke, mindestens genauso spannend wie der Guss, zeigt sich doch erst dann, ob die Glocke gelungen ist. sr


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