Hier sollen sie also hin, die Windkraftanlagen der Maxwäll Energie-Genossenschaft mit Sitz in Altenkirchen. Umweltministerin Ulrike Höfken marschiert mit großem Gefolge durchs hohe Gras am Arndtskopf und verschafft sich selbst ein Bild vom Zustand des Geländes, wo sich vielleicht in ein, zwei Jahren die Rotorblätter im Westerwälder Wind drehen.
Und während sich alle neugierig umschauen und darauf achten, dass sie nicht von umherschwirrenden Insekten gestochen werden, beginnen zwei BUND-Vertreter damit, reichlich Wind zu machen. Harry Neumann, der Landesvorsitzende der Umweltschützer, schimpft, die Verbände würden nicht genügend beteiligt und informiert. Und Kreisgruppensprecher Wolfgang Stock aus Niederfischbach geht den Altenkirchener Landrat Michael Lieber an, der sich gar nicht wehren kann, weil er in Urlaub ist.
Spätestens jetzt wird auch Ministerin Höfken klar: Hier oben auf dem Stegskopf prallen zwei Lager aufeinander. Dort, wo noch bis zum Jahresende die Streitkräfte das Schießen üben, wird auch nach Abzug der Bundeswehr weiter scharf geschossen – wenn auch nur mit Worten. Es sind unterschiedliche Interessen, die es abzuwägen gilt. So zurückhaltend klingt die Beschreibung des Streits aus dem Ministerium. Wer wird am Ende siegen: die Naturschützer, die von einem großflächigen Schutzgebiet träumen, oder die Energiegenossenschaften, die Windkraftanlagen realisieren möchten?
Am Mittwoch jedenfalls haben 52 Behörden und Organisationen eine wichtige Post im Briefkasten. Absender: die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD). Inhalt: der Entwurf einer Rechtsverordnung für das geplante Naturschutzgebiet „Stegskopf, Derscher Geschwämm und Quellgebiet der Schwarzen Nister". Damit beginnt das offizielle Verfahren zur Ausweisung eines Naturschutzgebietes. Behörden, Grundstückseigentümer sowie die anerkannten Naturschutzverbände haben nun bis zum 27. September Zeit, sich zu diesem Plan zu äußern.
Bereits jetzt ist klar: Die Naturschutzverbände akzeptieren die Grenzziehung nicht, die in dem Plan (siehe unten) vorgenommen wurde. Dort ist der Bereich des Arndtskopf herausgenommen; er soll nicht unter Schutz gestellt werden. Dieser Abgrenzungsvorschlag ist nach Einschätzung von Immo Vollmer vom Nabu Altenkirchen politisch motiviert. Mit anderen Worten: Er soll Windkraft am Arndtskopf ermöglichen. Die Naturschutzverbände machen sich jedoch für einen umfassenden Schutz der gesamten Fläche auf dem Stegskopf stark: „Das einzigartige Landschaftsbild bedarf eines besonderen Schutzes", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Die Verbände verweisen auf Goldhaferwiesen, Neuntöter, Schwarzkehlchen, orchideenreiche Feuchtwiesen, Rotmilan und sprechen insgesamt von einem „ökologischen Juwel".
Peter Müller von der Maxwäll-Energie-Genossenschaft mit Sitz in Altenkirchen sieht das völlig anders. Er hält die Fläche auf dem Arndtskopf für geradezu prädestiniert für die Windkraftnutzung. „Das Gelände ist am besten in der Region geeignet. Das ist unstrittig", erklärt Müller. Für Menschen, die Bedenken bezüglich des Eingriffs in die Natur haben, hat der ehrenamtliche Genossenschaftsvorstand dennoch großes Verständnis: „Die Menschen wägen halt unterschiedlich ab." Doch aus ganz grundsätzlichen Überlegungen halten er und seine Mitstreiter Windkraft für sinnvoll: „Sie ist elementar wichtig bei der Bekämpfung der Klimaerwärmung."
Genau diese Klimaerwärmung ist laut Müller auch der Grund dafür, dass das größte Rotmilan-Vorkommen inzwischen nicht mehr in Spanien, sondern hier in Deutschland zu finden ist. Exakt diese Vogelart, die seit 2006 auf der „Roten Liste", einer Art Vorwarnliste, steht, nutzen die Naturschutzverbände Nabu, BUND und GNOR als Argument gegen Windkraft. Mindestens drei Rotmilanhorste auf dem Stegskopf-Gelände sind ihnen bekannt. „Der Schutzradius für diese Vogelart wurde im neuen Gutachten der Landesregierung wegen seiner nachweislich hohen Windenergiesensibilität sogar von 1000 auf 1500 Meter erhöht", erklären die Verbandsvertreter.
Peter Müller von Maxwäll kann da mit einem Gegenargument aufwarten: Die „Pioniere der Windkraft", wie er die Bürgergesellschaft „Alternative Energien Kroppacher Schweiz (AEKS)" nennt, haben bekanntlich die Anlagen auf dem Hartenfelser Kopf realisiert. Und dort nisten jetzt zwei Rotmilane.
Die Hoffnung von Peter Müller ist, dass am Ende die Vernunft siegt und auch die Naturschutzverbände den Charme von Windkraftanlagen erkennen, die von heimischen Genossenschaften errichtet werden. Sein Argument: Die Genossenschaft, der bislang 200 Mitglieder aus der Region angehören, würde an den Zweckverband (dem die umliegenden Ortsgemeinden angehören) eine angemessene Pacht, seinen Mitgliedern bis zu 6 Prozent Dividende zahlen und auf 20 Jahre fest ein Naturkulturzentrum auf dem Stegskopf finanzieren. Müller: „Und dort könnten Menschen Arbeit finden." Von diesem Gesamtkonzept ist er völlig überzeugt: „Das wäre ein super Pilotprojekt für Rheinland-Pfalz." Marcelo Peerenboom